Mittwoch, 26. Januar 2011

Harley Earl's Scrapbooks: Kritzeln für den Chef

Bilder: Dean's Garage

Was haben mannshohe Heckflossen und die Chevy Corvette gemeinsam? Richtig, beide gehen auf das Konto von General Motors. Und fielen dort in die Verantwortlichkeit von Harley Earl, Chef des Designstudios von 1927 bis 1958.

In der Design Center library des Autokonzerns tauchten Anfang der 70er drei Ringbücher mit Skizzen auf – besser gesagt: Sie standen da schon länger, fanden aber erst Beachtung, als der amerikanische Motorjournalist Warren Fitzgerald sich ihrer annehmen wollte. Leider starb er zu früh, um die drei "Scrapbooks" näher zu untersuchen und der Öffentlichkeit einen Artikel zu schenken; das besorgte schließlich sein Kollege Michael Lamm in "Special-Interest Autos" im Jahre 1976. Als Pdf ist dieser nun in dem wunderbaren Blog "Dean's Garage" verlinkt. Doch Fans klassischer Automobilgestaltung dürfen sich über noch mehr freuen: Blogger Gary D. Smith (selbst Autodesigner) hat auch einige der Zeichnungen wieder in Positive umgewandelt und dort in einer Galerie online gestellt, um zu zeigen, wie sie ursprünglich ausgesehen haben. 


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Obwohl der Artikel mit "Harley Earl's Scrapbooks" überschrieben ist, stammen die Zeichnungen nicht von Earl selbst. Wie aus dem Text hervorgeht, gab er als Chef lediglich Anweisungen und ließ seine Untergebenen im Auftrag kritzeln... Manchmal brauchte es so bis zu 1800 Einzelzeichnungen desselben Bauteils, bis er endlich eine Entscheidung traf: "He didn't sketch, and he occasionally had a hard time explaining what he wanted."

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Wozu dann die drei Ringbücher mit mehreren hundert Einzelzeichnungen? Lamm formuliert im Wesentlichen drei Ideen, die schlüssig erscheinen: 
1. Die Bücher dienten Earl als Handapparat: statt eine Designidee selbst zu skizzieren, zeigte er sie anhand vorhandener Beispiele. Eine Art Mustersammlung zum Nachschlagen und Benutzen. 
2. Könnten die Bücher eventuell die Werke von Earls besten Designern beinhalten, oder
3. ganz einfach nur eine Zusammenstellung von Werken sein, die einst zum Wegwerfen zu schade waren.

Lamms emotionales Fazit: "I felt like a tourist in King Solomon's mines". 

Mittwoch, 19. Januar 2011

Edition Porsche Museum bei DuMont: Kleine Ode(n) an Ikonen



Porsches erste 911er Turbo-Orgel machte 1974 mächtig Dampf, und das mitten in der Ölkrise. Etwas mehr als dreißig Jahre nur, nachdem der KdF-Käfer seine Durchhaltemelodie durch den Gebläsekasten pfiff und treuen Sparern Hartgeld für Klebemarken aus dem Kreuz leierte. Im Verlagsprogramm von DuMont finden die ungleichen Cousins wieder zusammen...

„Der Käfer ist unser Kind. Ein altes Kind, ohne Zweifel, aber aus vornehmen Hause.“ 
Ferry Porsche hatte ja so recht! Jahrzehntelang fuhren die Deutschen mit ihren Käfern ganz bürgerlich zur Arbeit, zum Einkaufen, in den Urlaub, und zu allem dazwischen. Auf den noch nicht ganz so stark frequentierten Autobahnen seufzten sie schwer, wenn ein Porsche 356 zum Überholen ansetzte. Klar: Der war erwiesenermaßen die nächsthöhere Evolutionsstufe des Käfers, ein kräftiger Freude-Wagen, aber ganz ohne Missing Link. Die Vernunftapostel aus Wolfsburg konnten dagegen doch auf den Markt werfen, was sie wollten – akzeptabel waren immer nur die Cousins aus Zuffenhausen. Als dann der erste VW-Porsche 914 auf den Markt kam – immer noch für viele zu teuer, aber dafür volksnah – gefolgt vom 924 – immer noch für Aufsteiger, aber dafür kein echter Porsche – schien die Versöhnung endlich greifbar. Es ist die unnahbare Volkstümlichkeit, die wir an Porsche so lieben, und die uns immer wieder Bücher über die Marke schreiben oder kaufen lässt.

Vielseitiges Bildmaterial und bibliophile Gestaltung

Der Dumont Buchverlag gibt seit 2009 eine Reihe der Edition Porsche Museum heraus. Die Eckdaten: Bibliophile Aufmachung, kleines Rechteckformat (21 x 13 cm), zweisprachig deutsch/englisch, 14,95 €. Darunter zwei Bändchen, die mir der Verlag netterweise zur Verfügung gestellt hat und die ich hier näher vorstellen möchte. 

"Ferdinand Porsche und der Volkswagen“ behandelt die Entwicklungsgeschichte des KdF-Wagens bis zum Ur-356. Darüber hinaus findet auch noch die weitere Zusammenarbeit mit Volkswagen Erwähnung, die viele Prototypen und letztlich auch die Typen 914 und 924 hervorbrachte. Die Texte sind kurz und informieren sachlich über das nötigste. Den Kern bilden die Fotos: Einblicke in Werkstätten, Straßenrand-Reparaturen bei Testfahrten, und Detailfotos der verschiedenen Prototypen. Der Typ 64 fehlt bei alldem ebenso wenig wie Wehrmacht-Kübel und Schwimmwagen – ein Komplettüberblick auf knapp 200 Seiten.

Einmal komplett: Porsches Turbo-Geschichte

Zeitsprung. Die 25 PS-Beschaulichkeit hat Porsche lange hinter sich gelassen, das eine magere Emblem-Pferdchen reicht dem Elfer schon lange nicht mehr, Zeit wird’s für schubhafte Leistung mit viel Druck und entsprechendem Hinweis auf der Motorhaube. „Porsche Turbo Stories“ ist randvoll mit Begierdeobjekten, die nur wenige gekonnt zu bändigen wussten, und die selbst Porsche-Kunden nicht immer geheuer waren. Sieben Generationen umfasst die Turbo-Geschichte nun schon – von den Rennwagen ganz zu schweigen. Von 930 bis 997 und darüber hinaus sind alle drin, in Wort, word, Bild und picture. Historisch lässt sich die Turbo-Idee zudem bis in die Frühzeit des Autos zurückverfolgen, im Falle von Ferdinand Porsche himself bis in die Zwanziger Jahre mit der Entwicklung der Kompressor-Mercedes.

Zurück in den 70ern, war die Turbo-Idee bei Porsche zwar durchaus lebendig, ihre Umsetzung aber umso delikater, sodass sogar ein von Michael May aufgebauter Turbo-Capri gekauft und erprobt wurde. Mit wenig Erfolg. Speziell das „Turbo-Loch“ am Übergang von Halb- zu Vollast ließ sich nur schwer in den Griff kriegen, letzten Endes übrigens mit einer „Bypass“ genannten Entlastungsleitung. Als 1974 dann, mitten in der Ölkrise, der 911 Turbo als (Zitat) „erster Seriensportwagen mit abgasseitig geregeltem Turbolader“ auf die Straße kam, hätte es zunächst bei 400 Homologations-Fahrzeugen für die Gruppe 4 bleiben sollen. Für Heinz Branitzki (Vorstand) war das indiskutabel: „Wenn wir nicht in der Lage sind, ein so großartiges Produkt zu verkaufen, dann ist es an der Zeit für uns, aus dem Sportwagenbau auszusteigen.“

Großartig war das Produkt tatsächlich, und verkaufen ließ es sich auch. Wieder hatten die VW-Fahrer ein neues Idol zum Anhimmeln. Auf 221 Seiten ist die ganze Geschichte schlüssig verteilt, schade nur, dass das emotional „aufgeladene“ Thema in manchmal ziemlich dröger Sprache daherkommt, die Erfolg an Erfolg reiht und jede kritische Selbstreflexion außen vor lässt.

Informationen für Genießer

Beiden Büchern gemein ist eine sehr angenehme Haptik. Der Papiereinband vermittelt Bodenständigkeit, mit dem Lesebändchen wurde an den (in unserem Genre leider oft vergessenen!) Leser gedacht. Ein netter Gestaltungskniff sind die Seiten mit silbergrauem Hintergrund, auf dem schwarze wie auch weiße Schrift (für den englischen Text) gut lesbar sind und die zu den Fotos einen guten Kontrast bilden. Blöd, dass die Druckqualität den Effekzt trübt: man möchte allzu oft Staubkörner bzw. Fussel von der Seite wischen, die keine sind. Schade auch, dass die zwischen den Textkolumnen platzierten mini-Fotos (wir erinnern uns: die Bücher sind klein!) zwar inhaltliche Vollständigkeit signalisieren, aber ob ihrer Größe mit null Informationsgehalt glänzen können. 

So paradox es klingt: „Ferdinand Porsche und der Volkswagen“ taugt nicht für VW-Fans, und „Porsche Turbo Stories“ nicht für Porsche-Jünger, denn Tiefgang ist nicht ihr Ding. Wer z.B. an der Frühgeschichte des Käfers interessiert ist, greift besser zu Chris Barbers Standardwerk „Der Käfer“. Kürze ist aber die große Stärke dieser gut gemachten, kleinen Bilderbücher: Wer sich grundlegend informiert und vor allem gut unterhalten wissen möchte, ist bestens versorgt – und hat dabei noch das selten gewordene Vergnügen, ein hübsches Objekt in Händen zu halten. Genauer gesagt: eines von mehreren Kleinoden aus vornehmem Hause!

Alle Titel der Reihe finden Sie hier: Edition Porsche Museum bei DuMont



Foto: DuMont Buchverlag
Ferdinand Porsche und der Volkswagen
Dr. h. c. F. Porsche AG, (Hg.)
200 Seiten,
13 x 21 Hardcover
EUR 14,95 [D] / 23,50 sFr.
ISBN 978-3-8321-9298-3






Foto: DuMont Buchverlag

Porsche Turbo Stories
Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG, (Hg.)
224 Seiten,
13 x 21 cm Hardcover
EUR 14,95 [D] / 23,50 sFr.
ISBN 978-3-8321-9299-0

Dienstag, 11. Januar 2011

Carl Jörns – Eine Motorsport-Karriere



"Carl Jörns war einer der bedeutendsten Rennfahrer seiner Zeit". Bedenkt man, dass es sich bei dieser Zeit um die frühen Jahre des Motorsports bis 1926 handelt, wirkt der Satz gleich weniger floskelhaft und nichtssagend. Ein von Opel herausgegebenes Buch stellt sowohl Jörns' Leben, als auch die Anfänge des Opel-Automobilsports dar. 

Kaiserpreis-Rennen 1907. Die „Automobil-Welt“ schildert minutiös den Rennverlauf, und im pathetisch-wilhelminischen Stil der Zeit liest sich der Zieleinlauf so: „Stürmischer Beifall setzt ein, als Nazzaro übers Ziel geht. Eviva Nazzaro, eviva Nazzaro, übertönen die Italiener den allgemeinen Tumult. Nun folgen auch weiße Wagen, unter ihnen vor allem die Opel. Sie haben sich tapfer geschlagen, die beiden Opel-Fahrer Jörns und Michel, und wenn ihnen auch kein Sieg beschieden war, so hatten sie doch bewiesen, daß sie mit den Lancias, Nazzaros, Wagners, Rougiers, Jenatzys und wie sie alle heißen mögen, in eine Reihe zu stellen sind.“

Die automobile Mehrfarbengesellschaft war gerade entstanden, und mit ihr diverse Berühmtheiten.  Aber wer kennt heute noch Carl Jörns? Nicht nur, dass er aus Ludwigshafen kam. Kam irgend jemand von Rang und Namen je aus Ludwigshafen? Wie auch immer, 288 Siege sprechen für sich, obwohl sie nicht alles erzählen.

Foto: Wikimedia Commons
1875 geboren, begann der junge Carl bei der „Nähmaschinen- und Fahrradfabrik Kayser“ in Kaiserslautern als Radrennfahrer. Ein erster Kontakt zur Familie Opel entstand, denn Fritz und Heinrich fuhren ihm nicht selten hinterher. Kayser wollte ab 1900 Motorwagen bauen, ließ Jörns als passionierten (und gelernten) Mechaniker ran – und gab schon 1902 wieder auf. „Diese knallenden und übelriechenden Apparate haben ja doch keine Zukunft.“, ließ ein Aktionär ihn wissen. Bei Opel sah man das anders, Jörns ging nach Rüsselsheim und bestritt sein erstes Rennen bereits 1903, auf der Frankfurter Pferderennbahn, als Beifahrer von Fritz Opel. Gemeinsam hatten sie einen Opel 10/12 PS um so viele Teile erleichtert, dass der Wagen 25 km/h schneller wurde und 72 Sachen machte. Noch am gleichen Tag würde Jörns selbst ins Volant greifen und einen sensationellen dritten Platz machen. Ein Naturtalent? 

Carl Jörns auf Opel 12,3 Liter von 1914. 260 PS ohne Vorderradbremse... (Foto: Opel)
Der Mann war mutig und zeigte eisernen Willen, die Essenz des Motorsports, gerade damals. 1921, nach schadlos überstandenem erstem Weltkrieg, platze Carl bei Tempo 130 der rechte hintere Reifen. Er wurde aus seinem Wagen geschleudert, danach von demselben am Rücken getroffen, wobei er sich die Lendenwirbel-Fortsätze abriss, zwei Wirbel, sechs Rippen und das Becken brach. Seine Ärzte beeindruckte das mehr als ihn selbst. Kurz: 1922 saß der Opel-Werksfahrer wieder am Steuer eines Boliden. Genauer gesagt, gewann er am Steuer eines 260 PS-Monsters das Hochgeschwindigkeitsrennen am Strand der dänischen Insel Fanö. 1924 tat er dies übrigens noch einmal.

Carl Jörns begleitete nicht nur die frühe deutsche Motorsport-Geschichte, sondern auch den Aufstieg der Marke Opel zu einem der größten deutschen Automobilhersteller. Jörns gewann auf den Pisten, Opel in den Verkaufsräumen. Jedenfalls ist es diese Symbiose, die „Carl Jörns – Eine Motorsport-Karriere“ nachzeichnet. Nur 74 Seiten zählt der Leinenband mit Schutzumschlag, herausgegeben vermutlich (das Impressum nennt kein Erscheinungsjahr) um 1995 von der Adam Opel AG, Abteilung Öffentlichkeitsarbeit. Vor der Öffentlichkeit wird die Geschichte des rennenden Bediensteten natürlich mit wenig Blick auf die Erfolge der Konkurrenz erzählt; der Eindruck liegt außerdem nicht fern, dass Jörns nur der Aufhänger für Opels Motorsport-Frühgeschichte ist. Die hätte sich andernfalls wohl als dröge Aneinanderreihung technischer Details und Rennergebnisse gelesen, zu der wir heute so schwer einen Bezug finden, weil wir die beteiligten Menschen nicht (mehr) kennen. Ein Viertel des Buches widmet sich der Beschreibung der Opel-Rennwagen von 1903 bis 1926, sowohl mit aktuellem Fotomaterial der noch in Werksbesitz befindlichen Exemplare, als auch mit Schnittzeichnungen. 

Das Buch ist ein geschichtlicher Ausschnitt, der zu lesen wirklich Spaß macht: Autor Axel Lengert (immerhin ist er als Autor benannt!) schreibt mit jenem Augenzwinkern, das den befremdlich grauen Photographien alleine oft fehlen würde. Aufgemacht in der typischen, lichten Opel-Typographie der 90er Jahre bleibt die Lektüre unangestrengt, wobei Format, Gewicht und Haptik vorbildlich sind. 

Da es nie eine ISBN-Nummer gab, muss das Buch per Titelsuche über die einschlägigen Gebrauchtbuch-Börsen gefunden werden. 10 € darf man bedenkenlos bezahlen, denn ein Extra gibt es obendrein: ein aufgeklappt 70 cm breites Foto. Es zeigt das Team Jörns/Breckheimer auf Opel 3B beim Kaiserpreis-Rennen 1907. Ein Zuschauer hebt den Hut zum Gruße; Jörns schenkt ihm keine Beachtung, denn er muss fahren.


Carl Jörns auf Opel 3B mit dem Kaiserpreis-Pokal (Foto: Opel)

Adam Opel AG (Hrsg.): Carl Jörns – Eine Motorsport-Karriere. 74 Seiten, Format 20,5 x 27,5 cm, Leinen mit SU, s/w und farbige Abb., Preis um 10 € (antiquarisch).