"Carl Jörns war einer der bedeutendsten Rennfahrer seiner Zeit". Bedenkt man, dass es sich bei dieser Zeit um die frühen Jahre des Motorsports bis 1926 handelt, wirkt der Satz gleich weniger floskelhaft und nichtssagend. Ein von Opel herausgegebenes Buch stellt sowohl Jörns' Leben, als auch die Anfänge des Opel-Automobilsports dar.
Kaiserpreis-Rennen 1907. Die „Automobil-Welt“ schildert minutiös den Rennverlauf, und im pathetisch-wilhelminischen Stil der Zeit liest sich der Zieleinlauf so: „Stürmischer Beifall setzt ein, als Nazzaro übers Ziel geht. Eviva Nazzaro, eviva Nazzaro, übertönen die Italiener den allgemeinen Tumult. Nun folgen auch weiße Wagen, unter ihnen vor allem die Opel. Sie haben sich tapfer geschlagen, die beiden Opel-Fahrer Jörns und Michel, und wenn ihnen auch kein Sieg beschieden war, so hatten sie doch bewiesen, daß sie mit den Lancias, Nazzaros, Wagners, Rougiers, Jenatzys und wie sie alle heißen mögen, in eine Reihe zu stellen sind.“
Die automobile Mehrfarbengesellschaft war gerade entstanden, und mit ihr diverse Berühmtheiten. Aber wer kennt heute noch Carl Jörns? Nicht nur, dass er aus Ludwigshafen kam. Kam irgend jemand von Rang und Namen je aus Ludwigshafen? Wie auch immer, 288 Siege sprechen für sich, obwohl sie nicht alles erzählen.
1875 geboren, begann der junge Carl bei der „Nähmaschinen- und Fahrradfabrik Kayser“ in Kaiserslautern als Radrennfahrer. Ein erster Kontakt zur Familie Opel entstand, denn Fritz und Heinrich fuhren ihm nicht selten hinterher. Kayser wollte ab 1900 Motorwagen bauen, ließ Jörns als passionierten (und gelernten) Mechaniker ran – und gab schon 1902 wieder auf. „Diese knallenden und übelriechenden Apparate haben ja doch keine Zukunft.“, ließ ein Aktionär ihn wissen. Bei Opel sah man das anders, Jörns ging nach Rüsselsheim und bestritt sein erstes Rennen bereits 1903, auf der Frankfurter Pferderennbahn, als Beifahrer von Fritz Opel. Gemeinsam hatten sie einen Opel 10/12 PS um so viele Teile erleichtert, dass der Wagen 25 km/h schneller wurde und 72 Sachen machte. Noch am gleichen Tag würde Jörns selbst ins Volant greifen und einen sensationellen dritten Platz machen. Ein Naturtalent?
Foto: Wikimedia Commons |
Carl Jörns auf Opel 12,3 Liter von 1914. 260 PS ohne Vorderradbremse... (Foto: Opel) |
Carl Jörns begleitete nicht nur die frühe deutsche Motorsport-Geschichte, sondern auch den Aufstieg der Marke Opel zu einem der größten deutschen Automobilhersteller. Jörns gewann auf den Pisten, Opel in den Verkaufsräumen. Jedenfalls ist es diese Symbiose, die „Carl Jörns – Eine Motorsport-Karriere“ nachzeichnet. Nur 74 Seiten zählt der Leinenband mit Schutzumschlag, herausgegeben vermutlich (das Impressum nennt kein Erscheinungsjahr) um 1995 von der Adam Opel AG, Abteilung Öffentlichkeitsarbeit. Vor der Öffentlichkeit wird die Geschichte des rennenden Bediensteten natürlich mit wenig Blick auf die Erfolge der Konkurrenz erzählt; der Eindruck liegt außerdem nicht fern, dass Jörns nur der Aufhänger für Opels Motorsport-Frühgeschichte ist. Die hätte sich andernfalls wohl als dröge Aneinanderreihung technischer Details und Rennergebnisse gelesen, zu der wir heute so schwer einen Bezug finden, weil wir die beteiligten Menschen nicht (mehr) kennen. Ein Viertel des Buches widmet sich der Beschreibung der Opel-Rennwagen von 1903 bis 1926, sowohl mit aktuellem Fotomaterial der noch in Werksbesitz befindlichen Exemplare, als auch mit Schnittzeichnungen.
Da es nie eine ISBN-Nummer gab, muss das Buch per Titelsuche über die einschlägigen Gebrauchtbuch-Börsen gefunden werden. 10 € darf man bedenkenlos bezahlen, denn ein Extra gibt es obendrein: ein aufgeklappt 70 cm breites Foto. Es zeigt das Team Jörns/Breckheimer auf Opel 3B beim Kaiserpreis-Rennen 1907. Ein Zuschauer hebt den Hut zum Gruße; Jörns schenkt ihm keine Beachtung, denn er muss fahren.
Carl Jörns auf Opel 3B mit dem Kaiserpreis-Pokal (Foto: Opel) |
Adam Opel AG (Hrsg.): Carl Jörns – Eine Motorsport-Karriere. 74 Seiten, Format 20,5 x 27,5 cm, Leinen mit SU, s/w und farbige Abb., Preis um 10 € (antiquarisch).
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