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Leser der Ausgabe 6/2011 von „Auto Bild Klassik“ sind bereits bestens informiert: Bei der VEMAG in Brasilien baute man einst den 3=6 in Lizenz und brachte ab 1965 ein schmuckes, italienisches Coupé auf den Markt, gestylt von Fissore, und mit ebendiesem Namen bedacht – Grund genug, ein Buch aus Brasilien einfliegen zu lassen...
DKW in Brasilien – das ist eine Zweitakt-Parallelwelt mit einigen Überraschungen. Sogar der Munga schaffte es zum Liebling der Brasilianer, wurde als „Candango“ knapp 5.600-mal gebaut. Ganz zu schweigen vom GFK-Sportcoupé DKW Malzoni, dem (außerordentlich hübschen) Vorläufer des späteren Puma. Nachdem Audi Tradition im letzten Jahr ein Exemplar über das große Wasser geholt hatte, ist seine Geschichte auch in Deutschland keine Unbekannte mehr. Die des südamerikanisch-deutschen "Organspenders" hingegen schon.
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Als DKW 1965 von der deutschen Bildfläche verschwand und Audi wieder aufhorchte, war der Dreizylinder in Brasilien noch nicht verstummt. Die europäische Modellpflege hatte an der Copa Cabana nie Gültigkeit besessen, denn der größte Teil des Autos war per Gesetz im eigenen Land zu produzieren – die Grundlage der brasilianischen Automobilwirtschaft. So kam der „Belcar“ genannte 3=6 irgendwann mit einer schrulligen Doppelscheinwerfer-Front und eckigen Rückleuchten daher, die sich nur unvollkommen in die rundliche Linie einfügten. Der Viertürer besaß im Unterschied zum deutschen Selbstmörder-Pendant überdies vorn angeschlagene Türen. Eine Panoramascheibe mit Fieberthermometer wie beim hiesigen 1000 S gab es dafür in Brasilien nie, denn Daimler-Benz hatte bei DKW-Vemag nichts zu melden. So mancher deutsche Fan träumt heute vom Fissore, doch nur ca. 2.600 Stück wurden zwischen 1964 und 1967 gebaut. Irgendwie ist es aber nicht schlimm, dass er es nicht nach Europa schaffte.
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Denn so lohnt es sich um so mehr, im fernen Brasilien ein Buch zu bestellen: „DKW – A grande história da pequena maravilha“ von Paulo César Sandler beschreibt nicht nur die Geschichte der DKW Brasiliens, sondern setzt diese auch in einen internationalen Kontext. Gut 1/3 des Inhalts entfällt zunächst auf die deutsche DKW-Geschichte samt ihrer Derivate (auch Trabant und Wartburg bleiben nicht unerwähnt) und die gesamte Vorkriegsgeschichte der Auto Union wird ebenfalls angerissen. Leider unterlaufen dem Autor in diesem Teil viele Fehler, die wahrscheinlich auf die portugiesisch-deutsche Sprachbarriere zurückzuführen sind, unter der natürlich auch der deutsche Durchschnittsleser zu leiden hat.
Dem Vergnügen beim Blättern tut das natürlich keinen Abbruch: da ist DKW-VEMAG-Werbung, die irgendwie an die Werbesprache von VW erinnert. Da sind Einblicke in die Produktion des Fissore, der – wie alle anderen Typen auch – mit vielen Detailfotos porträtiert wird. Auch Prototypen sind vertreten, etwa der MB Moldex, der wie eine Mischung aus Opel Kadett A Frua und Pagoden-SL wirkt, und nichts mit Mercedes-Benz zu tun hat. Und wie es sich für eine anständige Marken-Monographie gehört, bildet das Motorsportliche den Abschluss. Ein umfangreicher Anhang informiert über die geographischen Gegebenheiten in Europa vor und nach 1945, sowie die Marktsituation in Brasilien bei Einführung der Marke 1956. Für deutsche Leser besonders praktisch: Die Produktionszahlen werden mit denen der Konkurrenz verglichen. Tabellen mit technischen Daten fehlen aber leider völlig, und das ist ebenso schade wie unverzeihlich.
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Das Buch kann über die Homepage des Verlags bestellt und per Kreditkarte bezahlt werden. Bei technischen Problemen wird dem Kunden sofort geholfen, man spricht Englisch. Kurzum: Mit knapp 45 € incl. Fracht und Einfuhrzoll in jedem Fall eine lohnende Investition – trotz aller Sprachbarrieren!
Paulo C. Sandler: DKW - A grande história da pequena maravilha. 384 Seiten, Format 20,5 x 27,5 cm, Paperback. São Paulo: Alaúde 2006. ISBN: 978-85-7881-037-5. Preis ab Verlag 98,00 R$
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Sehr interessant! Das ist für mich alles neu! Gruß hans
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