Es müssen hunderte sein, jedes Jahr. Hunderte Bildbände über und mit Automobilen, einer teurer als der andere, aber nicht unbedingt schöner, und mit einem immer sehr ähnlichen, durch Lifestyle-Magazine und Hochglanzprints vorgeprägten Bildstil, der ohne Photoshop gar nicht denkbar wäre. Fotografie als „Kunsthandwerk“ ist hingegen selten geworden. 1926 schrieb der Filmkritiker Béla Balázs: „Jede Einstellung der Kamera bedeutet eine innere Einstellung des Menschen. Jeder Eindruck, im Bilde festgehalten, wird zu einem Ausdruck, ob das beabsichtigt war oder nicht. das braucht nur, bewußt oder intuitiv, gehandhabt zu werden, und die Photographie wird zur Kunst.“
In „Vroom! Vroom!“ von Koto Bolofo ist diese „altbewährte“ Art der analogen, künstlerischen Fotografie zu finden. Motivisch geht es um Handarbeit, um Metall, um Blech, und um die Menschen und Maschinen, die den alten Bugattis in der Werkstatt von Ivan Dutton Ltd. in Buckinghamshire ihre funktionale Form zurückgeben. Vor Bolofos Kamera entblößen die Autos ihre Einzelteile, manche von ihnen wirken regelrecht verfremdet. Und doch hat sie der Fotograf nur zufällig auf der Werkbank oder in den Händen ihrer sie streichelnden Mechaniker entdeckt: Er inszeniert nicht, sondern beobachtet – und erkennt dabei so manches Detail, das dem nüchtern denkenden Restaurator mitunter verborgen bleiben mag.
Durch das cremefarbene, fast ledern wirkende Papier und das große Format strahlen die schwarz/weiß-Bilder Wärme aus. Das Buch selbst riecht (dem Steidl-Verlag sei Dank!) nach Farbe, Leim und traditionellem Handwerk: Besser, als es jeder Film oder geschliffen formulierte Artikel könnte, ermöglicht es dem Betrachter, die Ästhetik einer technischen Arbeit zu fühlen und zu riechen. So lassen sich auf frisch bearbeiteten Metallteilen verschwommener Provenienz sämtliche Kratzer und Riefen scheinbar einzeln ertasten. Bohren wird zur Zeremonie: wenn der Mechaniker seine Flasche Schneidöl auf ein Werkstück hernieder senkt, fängt Bolofo eine groteske Art statischer Bewegung ein, die sich vor dem geistigen Auge vor- und zurückspulen lässt.
„Like magic, a curve and shape emerge, recorded by my camera. Click! Click! Vroom! Vroom! The photographs take one to a journey of artistic innovation and aspiration.“, schreibt der Südafrikaner in seinem kurzen Vorwort, das übrigens den einzigen Text darstellt. Der Künstler ist ein gutes Beispiel für einen „Fachfremden“, der sich gekonnt an Autos wagt: als Modefotograf arbeitet er unter anderem für die „Vogue“ und die größten der Branche. Die Kunst bei der Modefotografie liege in der Spontaneität, erklärt er in dem unten stehenden Film. „Mein Ziel war, durch die Fotografie eine Art Zeitlosigkeit zu entwickeln, aus der Bilder entstehen, die man aus dem Magazin herausreißen und an die Wand pinnen möchte.“
Mit „Vroom!Vroom!“ hat er das ebenso geschafft. Koto Bolofos Bilder zeigen, dass es nicht mehr als eine innere Einstellung und großes handwerkliches Können braucht, um eindrucksvolle Bilder von klassischem Auto-Handwerk zu machen. In Zeiten, da Photoshop als Erweiterung der Linse gilt, ein echter Lichtblick.
Bild: Steidl Verlag |
Koto Bolofo: Vroom! Vroom! Göttingen: Steidl 2010. Hardcover, 96 Seiten, Größe 36,9 x 29,8 x 1,8 cm, ISBN-13: 978-3865219619, Preis 56 €.
Zum Steidl-Verlag
Hier gewährt der Autor Einblick in's Buch!
Zum Steidl-Verlag
Hier gewährt der Autor Einblick in's Buch!
P.S.: „Vroom! Vroom!“ ist nicht das erste Auto-verbundene Projekt von Koto Bolofo: 2005 erschien „Racing Style: The Goodwood Revival“.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen