Donnerstag, 10. November 2011

Volkswagen-Wanderzirkus: Die Formel Vau

Bei aller Nostalgie vergisst man gerne mal, wie anders die Welt im Jahre 1965 noch aussah. „Warum verfiel man gerade auf die V-Formel mit der veralteten Konstruktion des Volkswagens als Grundlage? Warum nahm man für diese Autos kein modernes Fahrwerk und keinen leistungsfähigen Motor?“, fragte hobby in Heft 10/1965 über den „Rennwagen für Jedermann“.
Im Gegensatz zu heute spielte der Formelrennsport beim deutschen Publikum damals eine untergeordnete Rolle; der Tourenwagensport war populärer und galt für die Hersteller als besonders werbewirksam. Umso sensationeller muss es der hobby- Redaktion erschienen sein, dass es nunmehr einen Volks-Formelwagen geben sollte. 
Die Idee stammte (natürlich) aus den USA, wo Hubert L. Bundage einen Rennwagen auf Basis des VW 1200 realisieren wollte. Ein von Nardi in Italien gebaute Prototyp erwies sich aber als zu lahm, und zu allem Überfluss bedachte ihn das Nordhoff-regierte Volkswagenwerk mit einer unmissverständlichen Abmahnung aufgrund der Zweckentfremdung von VW-Teilen. Erst der in Florida ansässigen Firma Formcar gelang ein renntauglicher VW-Bolide, von dem Huschke von Hanstein sechs Bausätze nach Deutschland holte und von Porsche montieren ließ: Für 10.000 DM würde der Renner durchaus massentauglich sein, stellte er sich vor. Der Bedarf war da, denn Formel 2 und Formel Junior waren bereits so teuer geworden, dass Rennsport-Einsteiger mit geringem Budget keine Chance mehr hatten.
Edgar Barth, Porsche-Werksfahrer, beantwortete die eingangs gestellte Frage jedenfalls mit dem heute gängigen Postulat aller Markenpokale: Eine Nachwuchsformel dürfe gar nicht zu schnell sein, weil nicht das Frisieren der Motoren entscheidend sein solle, sondern das Können der Fahrer.
Sein Kollege Gerhard Mitter sah die Sache indes ganz anders: „Die Dinger sind gewiß schöne Spielzeuge, aber kaum geeignet für den Fahrer-Nachwuchs. Dazu ist ihr Fahrgestell einfach zu primitiv; es gewährleistet nicht das Fahrverhalten eines Rennwagens von heute. Außerdem ist der Motor natürlich viel zu schwach. Damit kann man keinen Powerslide fahren; und mit dem ‚Rennstil‘ dürfte es deshalb auch nicht weit her sein. Ein Gefühl für Grenzwerte bekommt der Nachwuchsfahrer auf den V-Wagen nicht. Und das ist das Wichtigste beim Rennenfahren.“
Bild: Powerslide
Dass Mitter mit seiner hochgeschätzten Meinung enorm daneben lag, zeigt das Powerslide-Magazin in einem sehr gelungenen Sonderheft, das in Zusammenarbeit mit der Historischen Formel Vau Europa e.V. entstanden ist.
Die historische Entwicklung der immer schneller werdenden Formel Vau ist darin ebenso dargestellt wie die Geschichten bedeutender Fahrer. Obwohl sich immer wieder Namen wie Niki Lauda, Pedro Rodriguez, Mario Andretti oder Keke Rosberg finden, blieb nicht jeder Vau-Pilot dem Motorsport treu. Mitunter recht privat sind daher die Einblicke in die Leben der Vau-Champions von einst, und das Heft liest sich stellenweise wie ein nostalgisches Familienalbum. „Vau-Stories“ von Rainer Braun, seinerzeit selbst erfolgreicher Pilot, komplettieren das Heft, das übrigens auch diverse Statistiken und Tabellen aufweist.
Formel Vau 1300 2-Vergaser. Bild: www.formel-vau.eu
Was Huschke von Hanstein anfangs als seinen „VW-Wanderzirkus“ bezeichnete – mit den sechs Formcar-Vau trat er im Rahmenprogramm verschiedener Meisterschaftsläufe auf – gedieh rasant: Schon 1966 wurde der ONS-Pokal für Formel Vau-Rennwagen ausgeschrieben, bei dem nicht weniger als 100 Fahrer genannt waren. Weitere Hersteller drängten auf den Volksformel-Markt, manch einer baute sich seinen Renner strikt regelkonform auch einfach selbst.
Der erste Formel Super Vau. Bild: www.formel-vau.eu
Bis 1970 hatte man die anämischen 35 PS allmählich durch leistungsstärkere Motoren mit bis zu 80 PS ersetzt, und 1971 trat die Formel Super Vau an, der Formel 3 ihre jungen Talente abspenstig zu machen. Eine Reglement-Änderung hob ab 1973 die Formel V 1300 mit ihren charakteristischen Zweivergaser-Anlagen aus der Taufe. Es war die Blütezeit von Kaimann, Motul, RSM und anderen Rennwagenbauern, das Vorbild Formel 1 sah man den Boliden immer deutlicher an. Übrigens: 1973 gab es rund 5000 VW-Monoposti weltweit. Das macht den Einstieg in den historischen Formel-Rennsport heute erschwinglich, wie in der November-Ausgabe von Oldtimer Markt zu lesen ist. Ein rennfertiger Einvergaser-Vau kostet demnach nur rund 10.000 Euro. Fast wie damals!

Das Powerslide-Sonderheft zur Formel Vau ist nicht im Handel, sondern nur über den Online-Shop des Magazins zum Preis von 4,80 € erhältlich.

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